Interview mit Ring-Mitglied Anna-Lena Forster

Anna-Lena Forster betreibt sehr erfolgreich den alpinen Skisport mit dem Monoski. Sie errang schon zahlreiche Medaillen bei Paralympics und Weltmeisterschaften. Seit einigen Jahren ist sie auch Mitglied beim Ring der Körperbehinderten, wo sie beim Rollstuhlbasketball aktiv ist.

Weitere Informationen zu Anna-Lena Forster finden Sie im Internet
unter http://www.anna-lena-forster.de/

Michael Weymann interviewte Anna-Lena Forster im Vorfeld der Wintersport-Saison 2019/20

Weymann:
Was bewegt Sie Alpinen Skisport zu betreiben?

Forster:
Alpiner Skisport ist für mich halt irgendwie eine gewisse Freiheit. Ich kann ganz normal, wie jeder andere auch, auf meinen Ski „stehen“ und den Berg runterfahren, und brauche sehr wenig Hilfe, im Normalfall. Ich kann genauso Schwünge fahren, wie jeder andere auch. In den Bergen zu sein, dieser Blick über die ganzen Berge und Täler, das hat irgendwie etwas mit Freiheit und Leidenschaft zu tun. So nahe in der Natur zu sein. Im Sommer, klar man kann in die Berge fahren, auch mit dem Rollstuhl, aber irgendwo hat das auch seine Grenzen. Viele Wanderwege sind trotzdem noch schwierig. Das Problem hat man halt mit dem Ski nicht. Da fährt man die gleichen Touren, wie jeder andere auch.

Weymann:
Welche Gründe gibt es, dass Sie sich für den Wettkampfsport entschieden haben?

Forster:
Das hat sich irgendwie so ergeben. Damals war ich 11 Jahre alt, als ich in das Nachwuchsteam reingeschnuppert hab. Da wurde meine Entscheidungsfindung dann dadurch positiv beeinflusst, dass das Team einfach super war und dass die alle so in meinem Alter waren. Es hat super viel Spaß gemacht, sodass ich drangeblieben bin und regelmäßig mit auf Trainingslagern gefahren bin. Dann fährt man so seine ersten Rennen, hat so ein bisschen Blut geleckt, gemerkt ich kann da was erreichen und ich kann mich selbst weiterentwickeln. Dann habe ich es immer wieder in die nächsthöhere Stufe geschafft, Europacup, Weltcup. Wenn man dann wirklich merkt, man kommt voran und es tut sich was, das ist für einem selbst auch ein tolles Gefühl. Wenn man sich dann auch für Weltmeisterschaften oder Paralympics qualifiziert, ist das eine tolle Sache. Man findet irgendwie kein Ende, weil man halt immer ein neues Ziel vor Augen hat, das man noch erreichen möchte. Und so lang das so ist, habe ich halt immer den Antrieb weiter zu machen. Und das ist so der Grund, würde ich sagen.

Weymann:
Sie sind nun schon lange im Wintersport aktiv. Schildern Sie doch einmal Ihren Werdegang.

Forster:
Das hat sich dadurch ergeben, dass meine Eltern total gerne Ski fahren. Ich habe noch einen drei Jahre älteren Bruder, der es dann auch direkt von klein auf gelernt hatte. Und als ich dann auf die Welt kam, war es eher so, „oje, wird es überhaupt nochmal etwas mit gemeinsamen Skiurlauben?“. Da waren sich meine Eltern nicht so sicher, ob das überhaupt noch möglich ist. Dann war es ein Zufall, dass meine Eltern in Singen an einer Veranstaltung waren, wo ganz viele verschiedene Behindertensportarten vorgestellt wurden. Unter anderem eben auch das Monoskifahren. Da war ich noch relativ klein. Aber die Skilehrerin, die das dort vorgestellt hat, sie hat gesagt, wir sollen noch ein paar Jahre warten, bis ich in das „Gerät“ hineinpasse. Dann haben meine Eltern mich jedes Jahr ausgemessen. Irgendwann habe ich dann tatsächlich in die Schale gepasst. Mit sechs Jahren haben wir es dann ausprobiert, mit ziemlich viel Polster in der Sitzschale. Aber es hat zumindest soweit funktioniert, dass ich fahren konnte. Ich war dann mit sechs Jahren das erst Mal im Skikurs. In den nächsten vier Jahren habe ich dann jedes Jahr einen Skikurs gemacht. Irgendwann hat die Trainerin gemeint, „willst Du nicht mal weiter gucken, ich glaub du hast Talent“. Von da an war ich Nachwuchsteam dabei. Und das hat mir von Anfang an sehr gut gefallen.

Weymann:
Was war Ihr größtes Erlebnis in Ihrer sportlichen Karriere?
Forster:
Die größte Erlebnisse sind eigentlich immer so die ersten Male, würde ich sagen. Das erste Mal Weltmeisterschaft, das erste Mal Paralympics. Das ist eigentlich immer so ein ganz besonderes Gefühl. Man kennt es aus Erzählungen, aber man weiß nicht so genau, was auf einen zukommt. Und man ist natürlich stolz es geschafft zu haben. Damals war ich ja noch relativ jung, mit 17 und 18. Da war es dann so, wow, cool, ich habe es jetzt schon geschafft da überhaupt teilnehmen zu dürfen. Und klar jede Medaille die ist natürlich etwas Besonderes. Wenn man auf dem Podium steht, wenn man sogar ganz oben steht und die Hymne für einen läuft, das ist natürlich ein ganz besonderes Gefühl. Abseits von Medaillen würde ich sagen, alles was man so zum ersten Mal mitbekommt und erlebt hat, das ist dann das Tolle, an dem Ganzen. Das treibt auch an weiterzumachen. Gerade die Paralympics, wenn man das einmal erfahren hat. Die Zeit dort ist zwar mega stressig, weil man halt, von der Piste, kurz ins paralympische Dorf, dann ins deutsche Haus, dann vielleicht noch zu ZDF und ARD, den ganzen Tag unterwegs ist. Aber es ist halt immer etwas Besonderes, die ganze Stimmung mit zu erfahren. Und gerade auch die Eröffnungs- und Abschlussfeier. Also ich glaube, das kann man nicht oft genug erleben.

Weymann:
Können sie einmal schildern, wie eine Trainingswoche bei Ihnen aussieht.

Forster:
Das unterscheidet sich bei uns im Sommer und Winter so ein Bisschen. Im Sommer es ist relativ einfach, dass wir halt 6 Tage die Woche trainieren. Manchmal habe ich zwei Einheiten am Tag und manchmal nur eine. Je nachdem wie der Trainingsumfang der einzelnen Einheit ist. Generell geht es bei uns darum, dass wir im Frühjahr anfangen mit langen Ausdauereinheiten und dann auch viel Krafttraining machen. Das wird später dann auf kürzere, aber intensivere Einheiten umgestellt. Ich würde mal sagen, dass ich zwischen zwei und vier Stunden am Tag Konditionstraining mache. Und im Winter kommt dann halt noch das Training auf der Piste dazu. Da sind wir dann morgens ungefähr vier Stunden beim Skitraining am Berg. Und dann haben wir mittags nochmal eine „leichtere“ oder auch regenerative Einheit. Das bedeutet, dass man „auskurbelt“ oder noch ein paar kleinere Kraftübungen macht.

Weymann:
Wie sieht Ihre Umsetzung der Trainingsinhalte konkret aus?

Forster:
Ausdauertraining mache ich mit dem Handbike, aber auch mit dem Rollstuhl bin ich viel unterwegs. Das ist im Prinzip wie Joggen. Manchmal gehe ich auch schwimmen. Ja das sind so die Ausdauereinheiten. Das Krafttraining mache ich meistens am Olympiastützpunkt. Ich mache viel für die Rumpfstabilität und die Bauchmuskulatur. Natürlich auch für den Schultergürtel, damit ich da fit bin, um stabil auf dem Ski zu sitzen. Das sind so die wichtigsten Sachen. Aber ich mache auch viel koordinative Übungen. Weil das fürs Skifahren, mit den vielen Einflüssen, auf die man sich gleichzeitig konzentrieren muss, wichtig ist.

Weymann:
Welche Ziele haben Sie für diese anstehende Winter-Saison 2019/20?

Forster:
Wir haben dieses Jahr kein Großereignis. Das heißt, wir haben „nur“ Weltcup. Was für uns auch bedeutet, dass wir Sachen ausprobieren können. Ich habe jetzt zum Beispiel eine neue Sitzschale. Da muss ich halt schauen, wie gut ich mit der, auch bei verschiedenen Bedingungen und Schneearten, zurechtkommen. Mein Fokus liegt also diese Saison darauf mein Material zu optimieren. Und dann natürlich der Weltcup. Es wäre schön, wenn ich da vorne mitmischen könnte, über den die komplette Saison gesehen. Auf jeden Fall würde ich gerne unter den ersten drei sein, wenn nicht sogar den Gesamtweltcup zu gewinnen. Aber dadurch, dass wir nicht alle Weltcups mitfahren, wird das schwierig.

Weymann:
Wie sieht Ihre langfristige Planung, über die anstehende Saison hinaus, aus?

Forster:
Wir haben Weltmeisterschaften wieder 2021 in Norwegen. Da ist natürlich jetzt erstmal der Fokus drauf. Natürlich ist das dann auch irgendwo die Generalprobe für die Paralympics, wiedermal. Klar, man Rede immer von Gold, aber es geht irgendwo auch darum, bis dahin, eine Entwicklung für sich selbst zu sehen. Zu merken, dass es nicht stagniert, dass man sich in diesem Feld von Konkurrenz einfach behaupten kann und vorne mitmischen kann. Wenn es natürlich für Gold reicht wäre es schon, es ist natürlich immer mein Ziel zu gewinnen, aber schauen wir mal wie es dann aussieht. Langfristiges Ziel sind schon die Paralympics 2022 in Peking und da meine Erfolge von den Paralympics 2018 wiederholen zu können.

Weymann:
Wie wird, Ihrer Meinung nach, der Para-Sport in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Forster:
Ich denke es hat sich hier in den letzten Jahren auf jeden Fall viel getan, besonders was die Berichterstattung angeht, zumindest in unserer Sportart. Es war jetzt wirklich sehr oft so, dass ein Filmteam dabei war, sei es ARD oder ZDF. Die dann auch zu Weltcups gekommen sind, wie zum Beispiel Ende letzter Saison nach La Molina in Spanien, und tatsächlich umfangreich berichtet haben von Wettkämpfen, eben auch mal außerhalb von Weltmeisterschaften. Das hat uns sehr gefreut und bringt unserer Sportart und dem Para-Sport im Allgemeinen unheimlich viel. Aber auch in der Förderung hat sich viel getan. Ich bin seit August 2018 Mitglied im Zoll Ski Team. Das ist natürlich ein großer Fortschritt für mich, weil ich quasi als Sportler angestellt bin. Das bedeutet neben dem monatlichen Gehalt, auch eine bessere Absicherung bei einer Verletzung beim Sport. Auch, dass so schon in die Altersvorsorge eingezahlt wird, gibt eine gewisse Sicherheit. Vor meiner Zollkarriere lag neben dem Sport der Fokus auf meinem Psychologie-Studium, welches ich – gerade im Hinblick auf die Altersvorsorge – so schnell durchziehen wollte wie möglich. Diesen Stress habe ich jetzt Dank des Zolls nicht mehr. Diese Veränderung hat uns auf jeden Fall nochmal einen weiteren Schritt in die Professionalität gebracht.

Weymann:
Wie sehen Sie die grundsätzliche finanzielle Ausstattung des Para-Spitzensports in Deutschland?

Forster:

Grundsätzlich geht es auch hier in die richtige Richtung. Wenn wir auf Lehrgängen mit dem Nationalteam unterwegs sind, müssen wir keine Eigenbeteiligung zahlen und auch die Reisekosten werden mittlerweile übernommen. Auch die Anzahl an Lehrgängen hat sich in den letzten Jahren, durch das erhöhte Budget vom Bund und dem Deutschen Behindertensportverband, deutlich gesteigert. Aber nicht nur der Bund hat finanziell eine Schippe drauf gelegt sondern auch die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Seit letztem Jahr bekommen wir Para-Sportler die gleiche Grundfördersumme wie die nichtbehinderten Sportler. Meiner Meinung nach war diese Angleichung allerhöchste Zeit. Gerade weil die Deutsche Sporthilfe oft davon geredet hat, dass sie behinderte und nichtbehinderte Sportler gleich fördern. Natürlich sind wir Para-Sportler sehr dankbar überhaupt von der Sporthilfe gefördert zu werden. Gerade als Nachwuchsathlet ist man auf jeden Cent angewiesen. Dennoch finde ich es schade, dass nicht offen damit umgegangen wird, dass wir nicht die gleichen Förderbeträge bekommen haben wie die nichtbehinderten Sportler.

Den Prozess der finanziellen Ausstattung im Para-Leistungssport muss man aber auf jeden Fall positiv sehen. Doch das braucht es auch, die anderen Nationen schlafen auch nicht und stecken auch immer mehr Geld in den Para-Sport.

Weymann:
Mit welchen Argumenten würden Sie jemanden versuchen zu überzeugen Alpinen Skisport mit dem Monoski zu betreiben?

Forster:
Ja, auf jeden Fall das was ich zu Beginn aufgezählt habe. Dass man sich mit dem Ski im Schnee viel leichter bewegen kann als mit dem Rollstuhl. Das ist nicht nur im Leistungssport, sondern auch für den Breitensport, natürlich eine tolle Sache. Bezogen auf den Leistungssport, kann ich nur sagen, wir sind ein total cooles Team. Das macht immer Spaß mit uns unterwegs zu sein. Das Skifahren an sich ist einfach etwas befreiendes. Und ich denke, das schadet keinem.

Weymann:
Vielen Dank, Frau Forster, für das aufschlussreiche Gespräch.